11 Ideen für weniger Food Waste in der Gastronomie
Kein Gastronom und kein Koch wirft gerne Lebensmittel weg – schon alleine aus wirtschaftlichen Gründen. Aber wie lässt sich Food Waste dauerhaft und stetig reduzieren? Nachdem wir uns in einem ersten Artikel allgemein mit dem Thema »Das Problem »Food Waste« in der Gastro« beschäftigt haben, stellen wir hier nun 11 konkrete Ideen für weniger Lebensmittelabfälle in Restaurant, Café & Co. vor.
1.
Mehr rohe und pflanzliche Lebensmittel verwenden.
Es gilt die Faustregel: Je stärker ein Produkt verarbeitet ist, desto kürzer ist seine Haltbarkeit – außer, es sind Konservierungsstoffe im Spiel. Fertig geschnittenes Obst und Gemüse oder vorgegarte Produkte, für die sich viele Gastronomen aus Gründen der Convenience entscheiden, können weniger lange gelagert werden als Lebensmittel im natürlichen Rohzustand. Abgesehen von Fleisch, Fisch und anderen Produkten mit tierischen Inhaltsstoffen lassen sich viele Rohprodukte ungekühlt lagern, während tierische Produkte tendenziell kühlpflichtiger sind und schneller verderben. Das heißt: Lebensmittel im Rohzustand mit einem hohen pflanzlichen Anteil reduzieren die Gefahr des Verderbs. Und nebenbei sind diese Produkte meist auch gesünder und nachhaltiger.
2.
Bedarfsgerechter planen und einkaufen.
Wie viele Gäste kommen heute, wie viele morgen? Und nächste Woche Donnerstag? Restaurants, die ausschließlich mit Reservierungen arbeiten, können dies relativ genau prognostizieren und ihre Ware bedarfsgerecht einkaufen. Kurzfristige Absagen lassen sich mit einer Warteliste, einem Post in sozialen Netzwerken (»Heute Abend kurzfristig frei: Tisch für vier Personen«) oder Walk-ins auffüllen. Doch auch Gastro-Betriebe, die vor allem mit Laufkundschaft arbeiten, können ihren Bedarf optimieren und somit von vorn herein Überproduktion vermeiden. Zum Beispiel, indem sie digitale Kontroll-Tools verwenden, die es mittlerweile von verschiedenen Unternehmen gibt. Auf Basis von Erfahrungswerten wie Vorjahreszahlen, Wetterdaten und anderen Faktoren ermöglichen sie eine – stetig besser werdende – Planung. Inklusive Umsatzprognose.
3.
Lebensmittel ganzheitlich verwenden.
Abschnitte einfach wegwerfen? Nur das Mittelstück nutzen? Schalen in den Müll kippen? Die oft zitierte ganzheitliche Verwendung von Lebensmitteln – bei Pflanzen als »leaf to root« und bei Tieren als »nose to tail« bezeichnet – appelliert im Kern an das handwerkliche Berufsethos des Kochs: Profis wollen alles aus einer Zutat herausholen und möglichst effizient und wirtschaftlich arbeiten. Ob es Karkassen sind, aus denen schmackhafte Suppen oder Fonds hergestellt werden (wie es in der Haute Cuisine schon immer gemacht wird). Oder das Möhrengrün, aus dem sich ein sehr gutes Pesto zaubern lässt. Oder der Abrieb von Zitrusfrüchten, der zum Würzen oder Kandieren genutzt wird. Die ganzheitliche Verwendung reduziert nicht nur die Kosten, sondern fördert auch die Kreativität im Küchenteam und damit die Motivation. Übrigens lassen sich mit Resten aus der Küche auch für die hauseigene Bar viele spannende Sachen kreieren, von Garnituren für den Drink bis zu Sirupen und Cordials. Auf zum »Food-Waste-Pairing«!
4.
Richtig lagern und den Bestand transparent machen.
Ob im Trockenlager oder im Kühlschrank mit seinen verschiedenen Kühlzonen: Das Vorhalten der Ware braucht ein System und jeder Artikel seinen festen Platz. So ist beispielsweise darauf zu achten, bestimmte Obst- und Gemüsearten getrennt voneinander zu lagern. Denn Äpfel oder Tomaten verströmen Ethylen, was andere Sorten schneller reifen und somit schneller verderben lässt. Das aus der Logistik bekannte Prinzip »first in, first out« hilft, dass ältere Produkte zuerst verbraucht werden. Dafür ist sinnvoll, neue Ware nicht vor, sondern hinter die Bestandsprodukte zu räumen, damit auch bei schneller Entnahme im laufenden Küchenbetrieb das Prinzip eingehalten werden kann. Digitale Lösungen für den Einkauf bzw. die Beschaffung sowie eine Wareneingangskontrolle (idealerweise ebenfalls mit digitaler Unterstützung) sorgen für Transparenz. Ganz nebenbei: Es ist natürlich auch deutlich energieeffizienter, wenn das Kühlhaus nur kurz betreten werden muss, weil die Ware gezielt entnommen werden kann. Anstatt bei geöffneter Tür erst mal suchen zu müssen, ob und wie viel von einer bestimmten Ware noch da ist.
5.
Abwiegen, abmessen, portionieren.
In der Gemeinschaftsverpflegung – und erst recht im Airline-Catering, wo es letztlich um das Einsparen von Treibstoff geht – wird oft gramm- und millilitergenau gearbeitet. Wie viel von jeder Zutat bzw. jeder Speisenkomponente soll am Ende auf dem Teller liegen? Im laufenden Betrieb eines Restaurants ist es sicher nicht immer möglich, haargenau zu operieren. Außerdem soll hier ja auch nicht jeder Teller exakt gleich aussehen, damit der individueller Touch bewahrt bleibt. Doch präzise, schriftlich fixierte Rezepturen, das Abwiegen bzw. Abmessen von benötigten Mengen (schon bei der Vorbereitung) und das exaktere Portionieren mit entsprechenden Hilfsmitteln unterstützen das Küchenteam in seiner effizienten Arbeit. Und reduzieren das, was in der Mülltonne landet.
6.
Den Müll messen und transparent machen.
Wie viel fällt eigentlich im wahrsten Sinne des Wortes ab? Wovon? Was davon wäre leicht vermeidbar, was mit etwas mehr Aufwand? Ist am Ende eines Tages oder im Laufe der Woche die Tonne mit Lebensmittelabfällen gefüllt, lassen sich solche Fragen ohne genaueres Draufblicken nicht genau beantworten. Doch es gibt Möglichkeiten. Zum Beispiel können in zwei aufeinander folgenden Perioden die Müllstände verglichen werden – mit der Zielsetzung, nach der ersten Periode per Strich in der Tonne oder per Notiz, an welchem Tag die Tonne voll war, diesen Stand zu unterbieten bzw. mehr Zeit bis zur Füllung vergehen zu lassen. Ebenso lässt sich über einen bestimmten Zeitraum notieren, was aus der Küche weggeworfen wird, bevor es in der Tonne landet, oder wie viele Teller nicht leergegessen zurück gehen. In manchen Kommunen gibt es eine Gewerbe-Abfallberatung, die bei der Analyse und Optimierung unterstützt. Neuerdings kommen auch hier digitale Lösungen ins Spiel: Kombinationsgeräte aus Mülleimer, Waage, Kamera und Software ermitteln ziemlich genau, was und wieviel weggeworfen wird – und welche Kosten dies verursacht. Insbesondere für große Betriebe, etwa Hotelküchen oder Kantinen in der Gemeinschaftsverpflegung, amortisiert sich eine Investition in diese »smarten Mülleimer« schnell.
7.
Intuitives und systematisches Arbeiten kombinieren.
Wie bereits beschrieben, reduzieren die ganzheitliche Verwendung und die Arbeit mit Rezepturen und festgelegten Mengen eine Überproduktion und Food Waste. Auf der anderen Seite bezieht die Individualgastronomie ihren Charme nicht zuletzt aus der kulinarischen Spontaneität. Was man aus dem privaten Bereich kennt – der Blick in den Kühlschrank und das Zusammenkochen von Dingen, die weg müssen – benötigt in der professionellen Gastronomie umso mehr fundiertes fachliches und handwerkliches Wissen, um daraus hochwertige und leckere, verkaufsfähige Gerichte herzustellen. Ideen dafür finden sich im Internet sehr viele. Wie wäre es zum Beispiel mit einer »Gurkamole« aus Salatgurken, die ihren Biss verlieren, Joghurt, Zitrone und Chili (nebenbei nachhaltiger, weil regionaler als eine Avocado). Oder Gemüsepommes bzw. Gemüsechips aus bunten Gemüseresten? Kurzfristig ins Programm gelangende Speisen oder Speisenkomponenten sorgen für Abwechslung auf der Karte. Möglicherweise lassen sich sogar Angebote schaffen, die preislich besonders attraktiv sind. Gemüsereste können auch fermentiert oder für Mixed Pickles weiterverwendet werden, was gesunde und natürlich haltbare Speisen hervorbringt. Das wussten schon unsere Großeltern! Abgesehen davon: Intuitives Kochen macht das Arbeiten auch für das Team kurzweiliger, weil es sich wiederholende Abläufe durchbricht.
8.
Mehr Tellergerichte, weniger Buffet.
Ein Buffet mag hübsch aussehen – zumindest, wenn es gerade eröffnet wurde. Doch es ist enorm anfällig für Foodwaste, wenn es immer wieder aufgefüllt wird und nur vage abzusehen ist, wie viel tatsächlich verzehrt wird. Man denke nur an Frühstücksrestaurants, Events oder die Restaurants in Ferienhotels. Tellergerichte, auf einer Frühstücks- oder Eventkarte fixiert, machen eine wesentlich bedarfsorientiertere Zubereitung möglich. Soll es dennoch ein Buffet geben, kann auch mit Kombinationen gearbeitet werden: ein Teil Selbstbedienung, ein Teil per Bestellung am Tisch. Wichtig dabei: Auch ein klassisches kleines Frühstück – Brötchen, Butter, Marmelade, Käse – lässt sich auf Bestellung in der Küche deutlich effektiver zusammenstellen, als alles rauszustellen. Denn einmal draußen, dürfen Reste bekanntlich nur sehr eingeschränkt weiterverwendet werden. Und noch ein Tipp: am Buffet kleine Teller verwenden. Nachweislich sorgt dies dafür, dass weniger Gäste in die Falle »da waren die Augen mal wieder größer als der Magen« tappen. Wer großen Hunger hat, geht einfach öfter ans Buffet.
9.
Foodwaste in den Vorstufen reduzieren helfen.
Lebensmittelabfälle entstehen nicht nur durch Food Waste, sondern auch durch . Kann die Gastronomie hier, in der Phase der Erzeugung und Verarbeitung von Lebensmitteln, zu einer Reduktion beitragen? Sie kann: Zum Beispiel, indem Produkte eingekauft werden, die nur noch eine kurze Haltbarkeit haben bzw. das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) in Kürze erreicht wird. Diese Lebensmittel können dann zum Beispiel für die kommende Wochenkarte oder bevorstehende Caterings eingeplant werden. Es gibt diverse Webshops, die sich auf Produkte dieser Art spezialisiert haben und die oft attraktive Rabatte einräumen. Außerdem gibt es mittlerweile Händler, die Obst und Gemüse vertreiben, das nicht der Norm entspricht – weil es krumm oder verwachsen ist, Verfärbungen aufweist etc. Diese gibt es zu deutlich reduzierten Preisen und oft sogar in Bio-Qualität. Im konventionellen Handel landen solche Produkte meist im Müll. Aber Obst und Gemüse, das zerschnippelt und verkocht wird, sieht man seine ursprünglich abweichende Form ja nicht an. Außer Sie kreieren gerade daraus interessante »Culinary misfit«-Speisen!
10.
Reste mitgeben oder weiterverkaufen.
Bleibt trotz aller Planung und Prozessoptimierung am Ende doch etwas übrig, so kann auch daraus noch etwas Besseres werden als Abfall. Zum Beispiel können Sie die Produkte über Anbieter wie »« verkaufen – die Nutzer der App können sie dann in bestimmten Zeitfenstern abholen. Dies können auch bunt gemischte Wundertüten mit Backwerk, Obst und anderen Dingen sein – und jede hier verkaufte Einheit reduziert nicht nur den Müll, sondern verbessert auch den Deckungsbeitrag. Natürlich können Sie Ihren Gästen übrig Gebliebenes mitgeben – und dies forcieren, indem es vom Servicepersonal aktiv angeboten wird (manche Gäste fragen von sich aus ungern danach). Die Weitergabe von bestimmten Zutaten oder Gerichten an Tafeln und ähnliche Einrichtungen ist – unter Einhaltung von Hygienevorschriften (die entsprechenden Abnehmer kennen die Regeln) – ebenfalls möglich und eine gute Sache.
11.
Mut zu »Das ist heute leider aus«.
Planmäßig überzuproduzieren, damit jederzeit alles verfügbar ist – ein Usus, der heutzutage tatsächlich in den Müll gehört. In Zeiten, in denen wir alle sensibilisiert sein sollten für die Knappheit unserer Ressourcen und den verantwortungsvollen Umgang damit, dürfen Gastgeber auch mal gerne und selbstbewusst sagen: »Das ist heute leider aus« – verbunden mit einem Alternativvorschlag. Mehr Mut tut gut!